Im August letzten Jahres erblickte mit „Temple Run“ ein Endless-Runner das Licht der Welt, welches das Genre kräftig durcheinander wirbelte. Zugegebenermaßen waren wir damals obgleich dieser netter Features wie 3D-Grafik in unserem Test nur mittelmäßig begeistert von dem Titel aus dem Hause Imangi, was vornehmlich an dem sehr simplen Spielprinzip und der Tatsache lag, dass sich die Binsenweisheit „Der Weg ist das Ziel“ ganz weit unten auf unserer damaligen Best-Of-Sprüche-Liste befand. Doch Zeiten ändern sich. Nach beinahe einem für das Spiel sehr erfolgreichen Jahr konnten wir einen Schritt von unserem ursprünglichen Test zurücktreten und sehen nun den Wald vor lauter Bäumen, denn Temple Run ist, für das, was es sein will, eigentlich doch recht gut. Ja, uns ist da in der Tat eine kleine Fehleinschätzung unterlaufen, als wir dem Spiel die ungnädige Bewertung von 6 verpassten. Vielleicht hätte der Schatzjäger den einen oder anderen Punkt mehr verdient gehabt. Nach dieser Richtigstellung wollen wir aber nun einen Blick auf den Nachfolger „Temple Run: Merida“ des erfolgreichen ersten Teils werfen.
-b1-Ende Juni kommt mit „Merida“ ein neuer Animationsfilm aus dem Hause Pixar in die Kinos, in dem eine junge Prinzessin neben einer gewaltigen roten Mähne auf dem Kopf auch überhaupt keine Lust hat, verheiratet zu werden, da sie viel lieber mit Pfeil und Bogen im Wald rumrennt. Immer dieselbe Leier, nur Ärger mit den Gären 🙂 ! Anstatt ein komplettes Team mit der Entwicklung eines neuen Spieles zum Film zu beauftragen, wand man sich an die Jungs von Imangi und bat darum, Prinzessin Merida adäquat in den Erfolgstitel Temple Run zu integrieren. Fertig war „Temple Run: Merida„.
Das Spielprinzip bleibt dabei völlig unverändert. Anstelle des „Indiana Jones“-Klon sprintet nun die rothaarige Thronfolgerin aus einer Höhle, wird von einem ziemlich wütenden Bären und nicht von affenähnlichen Tempel-Wächtern verfolgt und muss von euch sicher über Stock und Stein gelenkt werden, um der Bestie zu entkommen. Auf den ersten Blick ändert sich also tatsächlich nicht viel. Bei jedem Versuch gilt es, durch Springen, Rutschen und Richtungswechsel eine möglichst weite Strecke zurückzulegen. Das Einsammeln von Münzen ermöglicht euch dabei den Erwerb von etlichen Power-Ups und besonderen Fähigkeiten, wie zum Beispiel einem Münz-Magnet, mit dessen Hilfe ihr nicht mehr direkt über die goldenen Dukaten laufen müsst, da diese von euch angezogen werden. Oder Flügel, die sich im Falle eines Absturzes als ziemlich nützlich erweisen und euch wieder auf die Strecke zurückbringen.
-b2-Statt freischaltbarer Charaktere gibt es nun zusätzliche Outfits für Merida im Store. Die einzige entscheidende Neuerung, nebst angepasster Grafik zum gleichnamigen Disney-Film, findet sich tatsächlich im Gameplay. Merida steht, wie zu Beginn bereits erwähnt, tierisch auf Pfeil und Bogen, also müsst ihr, während ihr vor dem Bären davonlauft, in bestimmten Passagen wiederholt aufgestellte Zielscheiben treffen, die irgendjemand aus irgendeinem unerfindlichen Grund links und rechts am Wegesrand aufgestellt hat. Trefft ihr alle Ziele gibt es Bonus-Punkte. Das Treffen der Scheiben hat jedoch keinen anderen Zweck und wirkt deshalb seltsam deplatziert, zumal ein einfaches Antippen reicht.
-b3-Ihr fragt euch, welch innovativen und motivierenden Neuerungen euch außerdem in „Brave“ erwarten? Keine. Und genau hier liegt das Problem. Das alte Spielprinzip funktioniert auch bei der von Disney lizensierten Fortsetzung recht gut, doch nur weil man den Titel um ein Wort erweitert und ein völlig nebensächliches Gameplay-Element ergänzt, wird daraus noch lange kein würdiger zweiter Teil. Selbst als Add-On geht das Abenteuer um den durchs Unterholz hetzenden Rotschopf nicht durch. Die Krönung der Geschichte – das traurige Ende vom Lied – aber ist, dass ihr für das Spiel auch noch 0,79€ berappen müsst. Das sind ganze 79 Cent mehr, als für das erste „Temple Run“, das kostenlos im AppStore angeboten wird – und damit 79 Cent zu viel! Der einzige Grund, der den Kauf rechtfertigen könnte, wäre eine unbändige und bedingungslose Liebe der feurigen Prinzessin gegenüberDennoch: Der ziellose Sprint um den Highscore macht wie im Original viel Spaß, auch wenn wir etwas mehr frischen Wind erwartet hätten
-b4-Was Änderungen angeht, tritt „Temple Run: Merida“ auch in Sachen Grafik eher auf der Stelle. Klingt negativ, ist aber einer der wenigen Plus-Punkte des Titels, denn visuell bewegte sich auch der Vorgänger schon auf gutem Niveau! Die von uns gelobten Laufbewegungen der Spielfigur sehen wieder klasse aus und je weiter man vorankommt, desto eindrucksvoller wirkt die Geschwindigkeit auf euch.
Auch der Sound ist ordentlich! Disney spendierte hier Originaleffekte und nicht zuletzt deshalb klingt das Ding insgesamt einfach satter, als der erste Teil. Atmosphäre kommt also allemal auf.
-b5-Die simple, wenn auch im Vergleich zu anderen Endlos-Runnern innovative Steuerung hat sich nicht verändert. Merida läuft weiterhin automatisch, durch Neigen eures Apple-Gerätes verlagert ihr euch nach links oder rechts und durch Wisch-Bewegungen in alle Himmelsrichtungen springt, rutscht oder lauft ihr um die Ecke. Per Fingertap auf die entsprechenden Zielscheiben, feuert ihr einen Pfeil ab.
Ach „Temple Run: Merida„, was tust du uns an. Haben wir doch eingangs unsere ursprüngliche Bewertung des Originals reumütig korrigiert, können wir doch unter keinen Umständen und guten Gewissens allzu lobende Worte für dich finden. Zwar machst du all das richtig, was schon deinen Vorgänger auszeichnete – gute Grafik, einfache Steuerung, süchtig machendes Highscore-Gameplay – doch kann das ernsthaft dein Anspruch gewesen sein? Etwas mehr Innovation wäre sicherlich nicht verkehrt gewesen, die Pfeil-und-Bogen-Geschichte reicht uns hier nicht aus. Zumal das neue Spiel im Gegensatz zum Vorgänger, den es kostenlos im AppStore gibt, 0,79€ kostet. Wer Merida einmal auf seinem iOS-Gerät herumhetzen lassen möchte, der kann hier zugreifen. Allen anderen dürfte auch das Original reichen!