Im Prinzip bedarf diese Serie keinerlei einleitenden Worte, denn absolut jeder sollte inzwischen einmal über den Namen „Grand Theft Auto“, kurz „GTA“, in der einen oder anderen Form gestolpert sein. GTA ist seit dem Erscheinen des ersten Teils anno dazumal 1997 unter keinen Umständen mehr aus der Welt der Videospiele wegzudenken und nicht erst seit gestern ein fester Bestandteil unserer Popkultur. Vor zehn Jahren erschien mit „Vice City“ für viele Zocker der wohl beste und zweifelsohne schillerndste Teil der Serie. Angelehnt an das filmische Gangster-Epos „Scarface“ mit Al Pacino in der Rolle des „Tony“ Montana und vor der herrlich exotischen Kulisse der 80er Kultserie „Miami Vice“ inspiriert, zieht das Pixel-Gangster-Märchen bis heute Zocker auf der ganzen Welt in seinen Bann. In diesem Jahr also feiert „Grand Theft Auto: ViceCity“ Jubiläum – Rockstar hat sich nicht lumpen lassen und dem Ding endlich einen Auftritt auf der Bühne der Smartphones und Tablets beschert. Das hat in der Vergangenheit bereits vorbildlich mit „GTA III“ und „China Town Wars“ funktioniert. Wir rufen also in freudiger Erwartung: Mach’s noch einmal Rockstar! Na dann…
-b1-Wir schreiben das Jahr 1986. Tommy hat gerade für die Forelli-Familie eingesessen und wird nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis von Familienoberhaupt Sonny nach Vice City geschickt, um dort einen Deal abzuwickeln. Es hätte so schön sein können – grüne Scheinchen gegen weißen Schnee und Feierabend. Doch eine Gruppe maskierter Männer hat einen anderen Plan und verschwindet, nachdem sie die nichtsahnenden Geschäftsmänner mit vollautomatischen Schusswaffen über den Haufen geballert haben, zusammen mit den Drogen und der Kohle. Einzig Tommy kann der Schießerei entkommen, flüchtet mitsamt dem schmierigen Anwalt Ken Rosenberg, seinem Kontakt in der Stadt, in ein Hotel und beichtet die Geschichte dem Familienoberhaupt am Telefon. Der findet das wenig unterhaltsam und weist Tommy an, das Geld zurückzuholen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.
-b2-Gesagt, getan! Fortan knüpft ihr Geschäftskontakte, kümmert euch um lästige Kontrahenten, investiert in Immobilien, erledigt lukrative Aufträge der einen oder anderen Art und seht dabei auch noch unverschämt gut aus. Keiner trägt türkises Hawaii-Hemd so stilvoll wie Tommy Vercetti! Was GTA auszeichnet, ist der Mix aus Open-World und stringentem Missions-Design. Wollt ihr die Geschichte vorantreiben, fahrt ihr zum nervösen Anwalt, dem Jacht-Party feiernden Colonel Cortez oder stattet Lance Vance einen Besuch ab, übrigens hervorragend von dem Schauspieler Philip Michael Thomas synchronisiert, der auch den Miami Vice Charakter Ricardo Tubbs mimte. Wollt ihr einfach nur ein bisschen Stress ablassen, schnappt euch eine Waffe und lasst in der Stadt keinen Stein mehr auf dem anderen, oder cruist mit einem schicken Wagen zu entspannten Klängen der 80er bei einem herrlichem Sonnenuntergang an der Strand-Promenade entlang. Wie schnell ihr im Spiel voranschreitet, welche Mission ihr als nächstes angeht, oder in welches Etablissement ihr zuerst investieren wollt – all das ist komplett euch überlassen.
-b3-Die Missionen sind dabei so vielfältig und unterschiedlich gestaltet, wie das Gameplay selbst: Ob ihr mit einem Wasserflugzeug Flyer für eine neue Pornoproduktion über der Stadt verteilen, einen korrupten Politiker zusammen mit einer Schauspielerin im heimischen Pool knipsen, oder getarnt als Polizist ein abgesperrtes Einkaufzentrum in die Luft jagen müsst, der Kreativität von Rockstars Schreiberlingen waren anscheinend kaum eine Grenzen gesetzt. Im Verlauf des Spiels mausert sich Hawaii-Hemden-Tommy vom Aushilfsgangster zum Oberhaupt eines wohl florierenden Verbrecherkartells und schon bald überwacht und beteiligt ihr euch tatkräftig an Drogenhandel, Prostitution, Schutzgelderpressung, Geldwäsche und vielem mehr. Was jedem Hobby-Gangster zu hüpfenden Herzen und nervös freudig schwitzenden Händen verhilft, finden die Polizisten der Stadt eher weniger witzig. Für jede gesetzeswidrige Handlung gibt es, vorausgesetzt ihr wurdet von einem mehr oder weniger aufmerksamen Hüter des Gesetzes auf frischer Tat ertappt, einen Stern aufs Polizeikonto. Wo anfangs noch Donut-futternde, Sessel-furzende Streifencops hechelnd hinter euch herjoggen, kümmern sich schon bald FBI, SWAT – und wenn Tommy es mal wieder zu bunt treibt – auch das Militär um euch. Das macht richtig Laune und sorgt für jede Menge Adrenalin. Vor konkurrierenden Gangs und Polizisten schützt ihr euch mit purer Waffengewalt und kugelsicheren Westen, die es für den schmalen Taler in einem der unzähligen Gunshops überall in der Stadt zu erwerben gibt. Das Arsenal der Ballermänner ist mindestens so beeindruckend wie die Vielzahl der motorisierten Kutschen – egal ob es zwei-, vier-, oder mehrrädrig (oder darf es Panzerkette sein?) sein darf. GTA-Feeling pur!
-b4-Rockstar hat der Grafik eine unaufdringliche Frischzellenkur verpasst. Auf den älteren Geräten ist davon aber weniger zusehen, und gelegentliche Framerate-Drops und häufige Pop-Ups trüben den Spielspaß ein klein wenig. Aber sind wir ehrlich: Wer augenzwinkernd über die in die Jahre gekommene Grafik hinweg- und wohlwollend durch die 80er Jahre-Brille blickt, wird ein wahres Style-Feuerwerk erleben. Es sieht einfach immer noch großartig aus, wenn ihr den beleuchteten Strip entlangfahrt, der Mond die Straßen in ein schummriges Licht taucht, die Palmen sich sanft im Wind wiegen und schillernde Gestalten auf den Gehwegen unterwegs sind. Sicherlich nicht die Creme de la Creme im AppStore, aber einfach stylisch!
Selbstverständlich sind auch in Vice City wieder die beliebten Radiosender am Start. Kaum schwingt ihr euch auf ein Motorrad oder hinter das Lenkrad eines „Cheetah“, erfüllen die lieblichen Klänge der 80er die ansonsten so bleihaltige Luft der Stadt. Michael Jackson juchzt euch auf Flash FM ins Ohr, auf K-Chat quatschen grenzdebile Hausfrauen über absurde Themen und wer auf Soul&R’n’B steht, dreht Fever 105 auf. Die Dialoge in den Zwischensequenzen suchen seit Jahren ihresgleichen und sind längst Maßstab für gute Synchronisierung geworden. Die Waffensounds klingen mindestens genauso überzeugend, wie das panische Geschrei chaotisch fliehender Promenaden-Rollschuhfahrer.
-b5-Wenn es etwas zu meckern gibt, dann auf sehr hohem Niveau und die Steuerung betreffend. Rockstar hat sich zwar große Mühe gegeben, die flüssige Steuerung von PC und Konsole auf iPhone und Co zu übertragen und anzupassen, Autos lassen sich trotzdem lange nicht so präzise durch den Gegenverkehr manövrieren. Auch der Nahkampf, egal ob mit Schußwaffe oder Baseballschläger, hinterlässt einen leicht faden Beigeschmack. Alles in allem funktioniert es noch relativ gut, Tommy von A nach B zu steuern und dabei Gangmitglieder und Gesetzeshüter gleichsam über den Haufen zu schießen. Zusätzlich lassen die meisten Buttons frei nach Wahl auf dem Bildschirm platzieren.
Grand Theft Auto: ViceCity ist wieder da und scheint keinen Tag gealtert! Obwohl die Steuerung sicher nicht ideal ist – gerade auf den kleinen Bildschirmen von iPod und iPhone gibts hin und wieder Schwierigkeiten – meldet sich das exotische Gangster-Epos mit einem Knall zurück. Alles, was wir an GTA lieben, findet sich in Vice City wieder: Gleichermaßen verrückte wie liebenswerte Charaktere, eine fesselnde Geschichte, wahnwitzige Missionen und die Freuden des Stress-reduzierenden Ausrastens in der frei begehbaren Stadt machen das Abenteuer um Tommy Vercetti auch auf Smartphone und Tablet zum absoluten Muss – nicht nur für Fans!